Ausstieg bei Yoga Vidya
In diesem Artikel geht es nicht um mich, sondern um Dich. Wenn Du bei Yoga Vidya aussteigen möchtest, findest Du hier einige praktische Tipps aus meiner eigenen Erfahrung.
Warum dieser Artikel?
Aus meiner persönlichen Beobachtung vor einigen Jahren steigen beim Yoga Vidya e.V. etwa 50 Mitarbeiter (“Sevakas”) pro Jahr wieder aus, zumindest in der Zentrale in Horn-Bad Meinberg – das entspricht ungefähr einer Person pro Woche. Eine ähnliche Zahl an Mitarbeitern kamen als Neuzugänge, was bei damals ca. 150 Mitarbeitern eine hohe Fluktuationsrate von etwa 30% bedeutete.
Über meine persönliche Erfahrung im Yoga-Ashram habe ich bereits im Artikel “Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 2)” ausführlich berichtet. In diesem Artikel hier soll es aber nicht um mich gehen – sondern um Dich. Ich persönlich praktiziere kein Yoga mehr und bin daher von dem Thema nicht mehr betroffen. Ich möchte Dir aber gerne meine Hilfe anbieten.
Mir ist bewusst, dass die Yoga-Vidya-Ashrams für einige Menschen zur Lebensgrundlage geworden sind. Es gibt einige Mitarbeiter, die schon lange bei Yoga Vidya sind und sich dort wohlfühlen. Deshalb geht es mir ausdrücklich nicht darum, dem Verein in irgendeiner Weise zu schaden – sondern lediglich einzelne Personen, die sich bewusst für einen Ausstieg entschieden haben, zu unterstützen.
Probleme beim Ausstieg
Über die Arbeitsbedingungen bei Yoga Vidya ist insbesondere letztes Jahr (2013) in der Dokumentation “Cash & Karma” des WDR ausführlich berichtet worden – dass bei Yoga Vidya gewisse Probleme herrschen, ist somit öffentlich bekannt. Ich werde hier nur auf Punkte eingehen, die für den Ausstieg relevant sind.
Zunächst einmal möchte ich positiv hervorheben, dass eine Mitgliedschaft bei Yoga Vidya grundsätzlich freiwillig ist – und damit auch die Beendigung der Mitgliedschaft. Ich habe seit meinem Ausstieg bei Yoga Vidya bisher keine Anfeindungen durch Mitglieder des Vereins oder ähnliches erfahren.
Im Gegensatz zu fast schon klischeehaften “Sekten” wie zum Beispiel der Scientology-Organisation, vor der bereits jedes Kind, das am Unterricht in einer öffentlichen Schule teilnimmt, gewarnt wird, möchte Yoga Vidya nicht an den Geldbeutel der Mitglieder, sondern vergütet die Mitarbeit mit Kost, Logis und einem Taschengeld.
Bei diesem scheinbar fairen Modell liegt meinem Eindruck nach aber auch der Hund begraben: Yoga Vidya setzt dadurch eine sehr niedrige Hemmschwelle, die Mitarbeit dort einfach mal auszuprobieren. (Viele Mitarbeiter bleiben nur ein Jahr, deshalb auch die hohe Fluktuation.)
Tipps zum Ausstieg
Durch das Modell “Kost und Logis” bist Du in eine Abhängigkeit von Yoga Vidya geraten: Du kannst Dir keine neue Arbeit suchen, weil Du dann Dein Wohnrecht bei Yoga Vidya verlierst. Und: Du kannst Dir keine neue Wohnung leisten, weil Dein Taschengeld dafür nicht ausreicht.
Noch dazu wird natürlich erwartet, dass Du für Dein “Seva” auf dem Ashram-Gelände anwesend bist. Dein erstes und wichtigstes Ziel bei Deinem Ausstieg sollte daher sein, die Abhängigkeit von Yoga Vidya in Bezug auf Deine Wohn- und Arbeitssituation zu durchbrechen.
Zusätzlich belasten Dich wahrscheinlich Deine Seva-Zeiten. Durch die 6-Tage-Woche bleibt Dir wenig Zeit, zur Ruhe zu kommen und die Weichen für Deine Zukunft zu stellen. Es kann eine Hilfe sein, dass Du Dich von einem Arzt oder einer Ärztin für einige Zeit krankschreiben lässt.
Du brauchst Dich dafür nicht zu schämen. Psychische Probleme am Arbeitsplatz sind heutzutage weit verbreitet. Ärzte haben Schweigepflicht. Suche Dir eine Arzt-Praxis in der Nähe. Schildere dort, was Dich bei Deiner Arbeit im Ashram belastet. Erkläre dem Arzt auch die Wohnsituation und dass Du – wegen der fehlenden räumlichen Trennung – in Deiner “Freizeit” kaum abschalten kannst.
Beschreibe einfach, was Du wahrnimmst, ohne etwas zu beschönigen oder zu dramatisieren. Ein guter Arzt sollte erkennen, wenn Du durch Dein Seva überlastet bist, und wird Dir eine offizielle Krankschreibung anbieten. In dieser Zeit kannst Dich erholen und Dinge regeln. Wenn nötig, gehe erneut zum Arzt.
Praktische Schritte
Es ist schwierig (wenn auch nicht unmöglich), zur gleichen Zeit eine neue Arbeit und eine neue Wohnung zu finden. Versuche Hilfe bei Deiner Familie, Deinen Freunden und Bekannten außerhalb des Ashrams zu erhalten. Durch Deine viele Arbeit im Ashram hattest Du für Kontakte mit Menschen, die “draußen” sind, vermutlich wenig Zeit.
Versuche daher, Deine Aktivitäten im Ashram auf ein Minimum herunterzufahren. Konzentriere Dich wieder auf Deine Kontakte außerhalb vom Ashram. Führe Telefonate und schreibe Nachrichten – wenn möglich nimm ein paar Tage Urlaub und besuche Menschen, die Dir helfen können.
Schildere Deine Situation, wie es Dir im Ashram geht, dass Du Hilfe brauchst und was Du vor hast. Im besten Fall kann Dir jemand eine Unterkunft für einige Zeit anbieten, so dass Du Dir von außerhalb des Ashrams eine neue Arbeit und danach eine neue Wohnung suchen kannst.
Übrigens: Auch wenn Du krankgeschrieben bist, darfst Du wegfahren. Es ist Dir alles erlaubt, was dazu führt, dass es Dir besser (oder zumindest nicht schlechter) geht. Wenn Dich die Situation im Ashram belastet, kann es sogar sehr gut für Dich sein, wenn Du für einige Zeit wegfährst.
Der Übergang
Sobald Du Dich entschieden hast, Yoga Vidya zu verlassen, kann es noch einige Zeit dauern, bis Du tatsächlich “raus” sein wirst. Ich wünsche Dir, dass Du den Ashram schnell verlassen kannst, aber es kann sein, dass Du etwas Geduld haben musst, bis Du eine neue Arbeit und eine neue Wohnung gefunden hast.
Die Zeit kann für Dich arbeiten. Bei Yoga Vidya erhältst Du ja ein Taschengeld. Versuche Deine Konsumausgaben für die Zeit von Deiner Entscheidung, den Ashram zu verlassen, bis zu dem Zeitpunkt, wo Du tatsächlich “raus” sein wirst, so weit es geht zu reduzieren, damit Du so viel Taschengeld wie möglich sparen kannst.
Das gesparte Geld wird vor allem wichtig sein, wenn Du eine Kaution für Deine neue Wohnung zahlen musst und sonst keine Rücklagen hast. So oder so solltest Du schnellstmöglich versuchen, wieder eine Arbeit außerhalb von Yoga Vidya zu bekommen, damit Du Dir eine Wohnung leisten kannst.
Bereite Dich darauf vor, dass Du bei Bewerbungsgesprächen über Deine Zeit bei Yoga Vidya (und warum Du gehen möchtest) gefragt wirst. Rede nicht schlecht über Yoga Vidya. Schildere, dass Du eine Art Auszeit nehmen wolltest bzw. ehrenamtlich tätig warst. Das war vorübergehend – ab jetzt möchtest Du wieder festen Boden unter den Füßen haben.
Kündige Deine Mitgliedschaft bei Yoga Vidya erst, wenn Du einen neuen Job sicher hast. Wenn Du vorher kündigst, kann es passieren, dass Du bei der Arbeitsagentur gesperrt wirst und für einige Wochen kein Arbeitslosengeld bekommst. Solltest Du einen befristeten Vertrag mit Yoga Vidya haben, melde Dich so schnell wie möglich bei der Arbeitsagentur.
Wie Du mit Yoga Vidya in Deinem Lebenslauf am besten umgehst, hängt stark von Deiner Branche ab. Auszeiten sind heutzutage relativ üblich. Bei der Arbeitsagentur kannst Du eventuell ein kostenloses “Bewerbertraining” bekommen, bei dem Dir jemand hilft, Deinen Lebenslauf zu verbessern.
Schildere den Mitarbeitern bei der Arbeitsagentur ehrlich Deine Situation. Sie sind dafür da, Dir zu helfen, so schnell wie möglich einen neuen Job zu finden. Je nachdem, wie lange Du bei Yoga Vidya warst, und welchen Beruf Du ursprünglich gelernt hast, kommt für Dich vielleicht eine Umschulung in Betracht.
Die Zeit danach
Du hast es geschafft und wieder eine eigene Arbeit und eine eigene Wohnung gefunden. Das freut mich für Dich! Nun darfst Du Dich wieder an Dein “altes Leben” gewöhnen. Es gibt kein Essen vom Buffet mehr – der “Speiseplan” liegt in Deiner Hand. Wahrscheinlich wirst Du Dich relativ schnell wieder an das “normale Leben” gewöhnen.
Je nachdem, was Du bei Yoga Vidya erlebt hast, kann es sein, dass Du mehr oder weniger über Yoga Vidya frustriert bist. Hier gilt es, einen guten Umgang mit Deinen Gefühlen zu finden. Wahrscheinlich wirst Du einige Zeit benötigen, um Deine Erlebnisse bei Yoga Vidya einzuordnen.
In den letzten Jahren haben manche ehemalige Sevakas den Mindestlohn bei Yoga Vidya eingeklagt. Überlege Dir gut, ob Du das auch machen möchtest oder nicht. Ich persönlich habe mich dagegen entschieden. Ich wurde zwar im Ashram zeitweise aufgefordert, mehr zu arbeiten als die vereinbarten 42 Stunden pro Woche, aber die grundsätzlichen Arbeitsbedingungen waren mir ja im Voraus bekannt.
Es war meine eigene Entscheidung, zu Yoga Vidya zu gehen, also möchte ich auch die Konsequenzen dafür tragen und nicht im Nachhinein mehr Geld fordern, als vereinbart war. Der Schaden, der mir durch Yoga Vidya entstanden ist, war nicht hauptsächlich materieller Natur, sondern spiritueller Natur.
Rückblick
Nach meiner Zeit bei Yoga Vidya habe ich mir die Frage gestellt: Habe ich falsch Yoga praktiziert? Lagen die Probleme also an mir? Oder wird Yoga bei Yoga Vidya nicht richtig gelehrt? Ist Yoga Vidya sozusagen ein schwarzes Schaf unter den Yoga-Schulen? Oder ist Yoga an sich nicht der richtige Weg und ich habe grundsätzlich etwas falsch gemacht?
Es hat einige Zeit gedauert, mich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Obwohl ich insgesamt nur ein Jahr bei Yoga Vidya gewohnt und gearbeitet habe, hat die Zeit dort mein Denken zunächst sehr geprägt. Durch die regelmäßige Teilnahme am Satsang übernimmt man viele Inhalte, ohne darüber nachzudenken.
Ich will kein Geheimnis daraus machen, dass ich mich nach meiner Zeit bei Yoga Vidya wieder intensiv mit dem christlichen Glauben beschäftigt habe (wie Du auf diesem Blog nachlesen kannst). Mittlerweile habe ich durch Jesus meinen Frieden wieder gefunden und mache mir keine Sorgen mehr über meine Zeit bei Yoga Vidya.
Zum Abschluss möchte ich Dir anbieten, dass wir gern in Kontakt kommen können, wenn Du über Deine Erfahrungen bei Yoga Vidya reden oder schreiben möchtest – unabhängig davon, wie Du gerade zu Yoga stehst oder wo Du Deinen weiteren spirituellen Weg siehst!
Vielleicht tut es einfach mal gut, etwas Frust abzulassen und zu hören, dass Du nicht allein bist mit dem, was Du bei Yoga Vidya erlebt hast. Wenn Du das möchtest, kannst Du mir gern über die unten genannte Mailadresse schreiben. Ich wünsche Dir jedenfalls alles Gute und Gottes Segen.