"Kirche, nein danke"
Bist Du aus der Kirche ausgetreten oder denkst ernsthaft darüber nach? Viele Menschen in Deutschland haben keinen Bezug mehr zur Kirche – als Christ kann ich das gut verstehen. Was halte ich vom Kirchenaustritt? Meine Perspektive wird Dich wahrscheinlich überraschen.
Kein Bezug zu Gott
Welche Vorstellung von Gott hast Du? Ich selbst wurde als Kind evangelisch getauft. Ich war im Religionsunterricht und wurde konfirmiert. Trotzdem hatte ich praktisch keine Ahnung, was der christliche Glaube konkret für mein Leben bedeuten soll.
Erst als Erwachsener habe ich angefangen, mich mit dem Thema Religion zu beschäftigen. Ich habe mir die Zeit genommen, viele Dinge selbst in der Bibel nachzulesen. Ich war überrascht, was ich dabei herausgefunden habe.
Nur eine Tradition
Die katholische und evangelische Kirche bekommt hauptsächlich durch die Taufe von Kindern neue Mitglieder. Doch wie ich selbst erlebt hatte: Nur durch die Taufe bekommt man noch keine persönliche Beziehung zu Gott.
Möchte Gott wirklich, dass kleine Babys in seine Kirche gezwungen werden, ohne mitreden zu können – ohne zu begreifen, was passiert? In der Bibel las ich etwas ganz anderes: Erwachsene Menschen, die sich aus freien Stücken für den Glauben entschieden und sich dann taufen ließen.
Überhaupt übt Jesus Christus in der Bibel ziemlich viel Kritik an den Menschen, die damals die religiösen Machthaber waren – ähnlich wie die katholische und evangelische Kirche heute.
Der Name “Christentum” bezieht sich auf Jesus Christus. Sollten wir deshalb nicht in erster Linie auf das schauen, was Jesus selbst gesagt und getan hat?
So dachte auch Martin Luther: Während der Reformation deckte er viele Missstände in der damaligen katholischen Kirche auf, wie den Schwindel vom Fegefeuer und den Betrug mit dem Ablasshandel.
Martin Luther übersetzte die Bibel in verständliches Deutsch, damit jeder sie lesen konnte. Was zeigt uns die Bibel über die Missstände der heutigen Kirche?
Missbrauchsskandale
Die Missbrauchsskandale sind momentan einer der Hauptgründe, warum Menschen aus der Kirche austreten. Ich bin überzeugt, dass besonders zwei Dinge die Missbrauchsfälle in der Kirche begünstigen: das Zölibat in der katholischen Kirche und verkrustete Machtstrukturen.
Ich war erstaunt, dass das Zölibat für Priester in der Bibel überhaupt nicht vorkommt. Im Gegenteil: Ein Leiter einer christlichen Gemeinde soll mit einer Frau verheiratet sein (1. Timotheus 3,2). Die Bibel zeichnet da ein völlig anderes Bild als die katholische Kirche.
Der Apostel Paulus drückt in der Bibel zwar eine hohe Wertschätzung gegenüber Menschen aus, die enthaltsam leben und dadurch ihr ganzes Leben für Gott einsetzen können. Er macht aber klar: Asexualität ist ein Geschenk von Gott – man kann sie nicht erzwingen. Wer sich nicht enthalten kann, soll lieber heiraten (1. Korinther 7,7-9).
Finanzielle Aspekte
Die Kirche ist in den vergangenen Jahrhunderten zu einem riesigen Machtapparat herangewachsen, in dem Skandale leicht unter den Teppich gekehrt werden können. Dazu kommt ein enormer materieller Reichtum.
Allein das katholische Erzbistum der Stadt München verfügt über ein Vermögen von etwa sechs Milliarden (!) Euro, hauptsächlich in Form von Immobilien.1
Jesus sagte dazu den bekannten Satz (aus Markus 10,25):
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.
Klar, dass sich da viele fragen: Warum soll ich da noch die Kirchensteuer zahlen? Besonders, wenn man sowieso nicht mehr in den Gottesdienst geht.
Dunkle Vergangenheit
Der Umgang mit Geld ist nicht der einzige Punkt, in dem die Kirche an christlichen Idealen vorbeigeschrammt ist. Ich möchte nicht zu weit ausholen, denn jeder kennt sie aus dem Schulunterricht: die Kreuzzüge.
Das ursprüngliche Ansinnen, Jerusalem von muslimischer Herrschaft zu befreien, schlug schnell in religiösen Fanatismus um. Dieser Eifer führte zu blutigen Massakern an tausenden Muslimen und gleichzeitig auch an vielen Juden.
Ein solches grausames Vorgehen ist durch nichts zu rechtfertigen, vor allem nicht durch den christlichen Glauben, denn Jesus predigte stets, dass wir auch unsere Feinde lieben sollen (Matthäus 5,44):
Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.
Der eigentliche Skandal
Puh, nun haben wir uns einige Punkte angeschaut, bei denen eine gewaltige Kluft zwischen der Kirche und dem echten christlichen Glauben aus der Bibel klafft.
Muss man wirklich alles so negativ sehen? Man könnte doch sagen: Die Kirche hat im sozialen Bereich viel Gutes getan. Nächstenliebe ist doch auch christlich! Und das stimmt natürlich. Aber weißt Du, was mir am meisten zu denken gegeben hat?
Obwohl ich regelmäßig am Religions- und Konfirmationsunterricht teilgenommen habe, hat es die Kirche nicht geschafft, mir einen Bezug zu Gott zu vermitteln. Dabei sollte die Kirche doch gerade in diesem Bereich die absoluten Experten haben!
Die Alternative
Warum bezeichne ich mich trotz der vielen Kritikpunkte noch als Christ? Was hat mir geholfen, doch noch zum Glauben an Gott zu finden? Ich habe erkannt: Für Gott zählt allein meine persönliche Beziehung zu ihm.
Mein Schicksal in der Ewigkeit hat nichts mit meiner Kirchenmitgliedschaft zu tun: Ich komme nicht in den Himmel, wenn ich Mitglied einer bestimmten Kirche bin. Und ich komme nicht in die Hölle, wenn ich aus einer bestimmten Kirche ausgetreten bin.
Mir ist klar geworden: Die Kreuzigung und Auferstehung von Jesus vor 2000 Jahren ist alles entscheidend. Sie ist für mich hier und heute relevant. Jesus ist stellvertretend für meine Fehler gestorben, damit ich nicht in die Hölle, sondern in den Himmel komme. Darauf vertraue ich.
Freikirchen
Inzwischen besuche ich regelmäßig eine Freikirche – das heißt eine unabhängige Kirchengemeinde, die sich nicht aus der Kirchensteuer finanziert, sondern ausschließlich aus freiwilligen Spenden.
Selberverständlich gibt keine perfekte Kirchengemeinde, dennoch bringt eine gute Freikirche aus meiner Sicht eine Reihe von Vorteilen mit sich:
- Freikirchen taufen nur Erwachsene, die sich bewusst für den Glauben entschieden haben.
- Freikirchen bemühen sich, dem ursprünglichen Glauben aus der Bibel zu folgen.
- Freikirchen haben flache Hierarchien und damit weniger gefährliche Machtstrukturen.
- Man sieht direkt vor Ort, wofür die finanziellen Mittel eingesetzt werden.
Es gibt Freikirchen mit unterschiedlicher Ausrichtung. Deshalb sollte man bei Freikirchen genau darauf achten, ob sie wirklich für das biblische Christentum stehen.
Kirchenaustritt
Würde ich Dir auf Grund der Missstände in den beiden großen Kirchen nun dazu raten, aus der Kirche auszutreten? Wenn Du – so wie ich damals – keinen echten Bezug zu Gott hast, empfehle ich Dir stattdessen etwas anderes:
Informiere Dich zuerst, worum es im Kern beim christlichen Glauben geht. Die Frage, was es mit Jesus und der Bibel wirklich auf sich hat, ist viel wichtiger als die Frage nach Deiner Kirchenmitgliedschaft bzw. Deinem Kirchenaustritt.
Auf hopefish.de findest Du viele weitere Artikel über den christlichen Glauben – auch gute Antworten auf schwierige Fragen. Überprüfe selbst, was die Kirche Dir bisher über den Glauben erzählt hat. Es lohnt sich! Ich freue mich, wenn Du danach hier weiterliest.
Gründe zu bleiben
Es gibt gute Gründe, aus der Kirche auszutreten. Schauen wir uns aber erst einmal die Gründe an, warum Du Mitglied in der Kirche bleiben solltest. Denn in manchen Situationen kann das durchaus sinnvoll sein:
- Du gehst als Christ in eine gute Kirchengemeinde, wo sich der Pastor an der Bibel orientiert und Dein Glaube gestärkt wird – dann möchte ich Dich nicht dazu überreden, aus der Kirche auszutreten.
- Du bist für einen kirchlichen Arbeitgeber tätig – dann kann Dein Kirchenaustritt möglicherweise zu einer Kündigung führen. Informiere Dich im Voraus über mögliche Konsequenzen.
Zeit zu gehen?
Wenn die zwei oben genannten Punkte bei Dir nicht zutreffen, dann kannst Du mit dem Gedanken spielen, aus der Kirche auszutreten.
Bedenke dabei: Von der Kirche weg zu sein bedeutet nicht automatisch, dass etwas Besseres in Dein Leben kommt. Du würdest ja auch nicht Deinen Job kündigen, solange Du noch keinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hast.
Deshalb: Such Dir zuerst eine gute Alternative – zum Beispiel eine Freikirche, die sich an der Bibel orientiert und Deinen Glauben stärkt.
Mach Dir bewusst, dass die Gemeinschaft mit anderen Christen ein wichtiger Bestandteil Deines Glaubens ist. Lies zum Beispiel in der Bibel bei Apostelgeschichte 2,37-47 nach, wie die ersten Christen ihren Glauben in Gemeinschaft gelebt haben.
Keine Gemeinde ist perfekt – aber Du brauchst eine Gemeinde, um im Glauben zu wachsen. Du brauchst Menschen, die Dich herausfordern, und Menschen, die Dich unterstützen. Gott hat Dir individuelle Gaben gegeben, mit denen Du Deine Gemeinde bereichern kannst.
Praktische Schritte
Der eigentliche Kirchenaustritt ist einfach erledigt: Du fährst mit Deinem gültigen Personalausweis zum Standesamt Deiner Stadt und erklärst, dass Du aus der Kirche austreten möchtest.
Eine Angabe von Gründen ist nicht erforderlich. In den meisten Bundesländern fällt eine Bearbeitungsgebühr an – aktuell etwa 30€. Sicherheitshalber solltest Du Deinen Arbeitgeber informieren, damit er die Kirchensteuer nicht mehr abzieht.
Lebensereignisse
Wenn Dein Kirchenaustritt schließlich konkret wird, hast Du möglicherweise ein paar praktische Fragen. Über folgende Punkte musst Du Dir jedenfalls keine Sorgen machen:
- Taufe: Freikirchen praktizieren die Erwachsenentaufe für Menschen, die sich bewusst für den Glauben entschieden haben. Neugeborene Kinder werden gesegnet.
- Heirat: In Freikirchen ist eine freikirchliche Trauung möglich. Rechtlich gesehen ist in Deutschland sowieso die Eheschließung beim Standesamt entscheidend.
- Beerdigung: Mitglieder von Freikirchen werden oft auf einem kommunalen Friedhof bestattet – in ländlichen Gebieten auch auf einem kirchlichen Friedhof.
Signalwirkung
Folgenden Punkt solltest Du aber auf jeden Fall beachten: Wenn Du aus der Kirche austrittst, wirst Du in den Statistiken nicht mehr als Kirchenmitglied geführt. Das heißt: In den Nachrichten wirst Du immer wieder lesen, dass die Anzahl der gläubigen Menschen in Deutschland zurückgeht.
Wenn Du aber ein gläubiger Christ bist, dann ist es umso wichtiger, dass Du anderen Menschen in Deinem Umfeld von Deinem Glauben erzählst – so wie ich das hier zum Beispiel auf dieser Website mache.
Nur so werden andere Menschen erfahren, dass der christliche Glaube auch heute noch genauso relevant ist wie vor 2000 Jahren. Wenn die Menschen in Deinem Umfeld wissen, dass Du Christ bist, wirst auch Du ihnen weiterhelfen können, sobald sie sich die Frage stellen: Soll ich aus der Kirche austreten?
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Quelle: “Sechs Milliarden Euro Vermögen - so reich ist das Erzbistum München” (Süddeutsche Zeitung vom 21.06.2018) ↩︎