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Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 3)

· Autor: Thomas · Lesezeit: ca. 8 Min.

Die Dokumentation “Cash & Karma” des WDR berichtet über Missstände beim großen deutschen Yoga-Anbieter “Yoga Vidya”. Da ich früher selbst Mitarbeiter in einem Yoga-Zentrum gewesen bin, gebe ich hier meine Einschätzung zu einigen Fragen, die die Dokumentation aufwirft.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe. Eine kleine Einführung zu dem religiösen Weltbild, das hinter Yoga steht, findest Du im ersten Teil “Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 1)” Meine persönliche Geschichte mit Yoga kannst Du im zweiten Teil “Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 2)” nachlesen.

Frage: Woher stammt der Datensatz mit einer halben Million interner Nachrichten von Yoga Vidya?

Gleich zu Beginn des Films wird berichtet, dass ein Informant dem WDR einen Datensatz mit einer halben Million interner Nachrichten von Yoga Vidya zugespielt habe, womit im weiteren Verlauf der Dokumentation hauptsächlich E-Mails gemeint sind. Diese Menge an Informationen ist enorm und bildet eine sichere Grundlage, um die Aussagen aus dem Film zu belegen. Ein Datensatz dieser Größe lässt sich heutzutage praktisch nicht fälschen, wobei sich dies in Zukunft durch den Einsatz generativer künstlicher Intelligenz ändern könnte.

Nimmt man auf Grund der gesetzlichen Abgaben­ordnung eine Aufbewahrungs­dauer der E-Mails von bis zu zehn Jahren an, entspricht die Anzahl etwa 137 E-Mails pro Tag; möglicherweise werden E-Mails bei Yoga Vidya zur internen Nach­voll­zieh­bar­keit noch länger aufbewahrt. Eine mögliche Erklärung wäre, dass ein Mitglied der “Führungs­ebene” von Yoga Vidya die sensiblen E-Mails über einen Mailverteiler direkt von Sukadev (Volker Bretz) empfangen hat und sie über Jahre hinweg in seinem Postfach angesammelt hat, bevor er sie schließlich an den WDR weitergeleitet hat.

Alternativ wäre denkbar, dass ein IT-Mitarbeiter von Yoga Vidya den Datensatz dem WDR übergeben hat. Aus meiner Berufserfahrung in der IT kann ich sagen, dass sich entsprechend autorisierte Mitarbeiter üblicherweise relativ leicht Zugriff auf alle E-Mail-Konten verschaffen können, also zum Beispiel auf die von Sukadev (Volker Bretz) oder des gesamten “Führungskreises”. In beiden Fällen ist der Personenkreis, der für den Leak in Frage kommt, sehr klein – der Whistleblower hat durch die Weitergabe vermutlich seine Karriere bei Yoga Vidya riskiert.

Frage: Was passiert mit dem Jahresumsatz von Yoga Vidya, der sich im zwei­stelligen Millionen­bereich bewegt?

Die Dokumentation gibt den Jahresumsatz von Yoga Vidya nur ungefähr im Bereich eines zwei­stelligen Millionen­betrags an. Offizielle Informationen von Yoga Vidya gibt es dazu nicht. Ältere Berichte, von vor etwa zehn Jahren, geben den Umsatz von Yoga Vidya mit 10 Millionen Euro pro Jahr an. “Cash & Karma” deutet an, dass Yoga Vidya während der Corona-Pandemie, trotz privater Spenden und staatlicher Unterstützung, eine Nullrunde gespielt hat. Ich würde daher vermuten, dass sich der Umsatz auch heute noch im eher niedrigen zwei­stelligen Millionen­bereich befindet.

Auffällig ist: Bisher konnte keine Recherche nachweisen, dass Yoga Vidya die Einnahmen für Luxusgüter ausgibt. Der Gründer, Sukadev (Volker Bretz), lebt genauso wie die Mitarbeiter in einem Gebäude der ehemaligen Kurkliniken in Bad Meinberg und produziert gefühlt rund um die Uhr neue Social-Media-Inhalte für den Verein. Die WDR-Dokumentation zitiert Sukadev (Volker Bretz) gleich zu Beginn, dass er reich geerbt habe und bis an sein Lebensende nicht mehr arbeiten müsse. Was motiviert ihn dennoch, mit Yoga Vidya einen großen Umsatz zu erzielen?

Die Umstände deuten darauf hin, dass es Sukadev (Volker Bretz) beim Wachstum von Yoga Vidya tatsächlich um die möglichst weite Verbreitung des Yoga geht, obwohl darunter die Arbeits­bedingungen der Mitarbeiter leiden. Im Gegensatz zu Sukadev (Volker Bretz) dürfte der Großteil der Mitarbeiter keine betriebs­wirt­schaft­liche Ausbildung besitzen. Ich kann mir vorstellen, dass die Verantwortlichen viel Geld schlicht und ergreifend unbedacht und ineffizient wieder ausgeben. Auch die im Film genannte Yoga-Philosophie “geben, alles was man hat” mag dazu beitragen.

Frage: Wie passen die anscheinend harten Arbeits­bedingungen bei Yoga Vidya zur Yoga-Philosophie?

Yoga wird häufig als ein Weg zu Harmonie und Frieden wahrgenommen. So präsentiert sich auch Yoga Vidya selbst in zahllosen Social-Media-Beiträgen. In den Google-Suchergebnissen ist Yoga Vidya stets vorne mit dabei. “Cash & Karma” zeigt jedoch einen ungewohnt kritischen Blick auf das Leben der Mitarbeiter, die bei Yoga Vidya fest vor Ort sind: Arbeit an sechs Tagen die Woche, ohne auf sich selbst zu schauen – wie passt das zur Achtsamkeit und Erholung, die sich viele von ihrer Yoga-Praxis erhoffen?

Die Darstellung der Arbeitsbedingungen bei Yoga Vidya entspricht auch meiner eigenen Erfahrung und ist für mich sehr gut nachvollziehbar. (Mehr dazu im Artikel: “Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 2)”) In der Aufforderung zu permanenter Arbeit zeigt sich für mich der philosophisch-religiöse Hintergrund des Yoga: Wer den Yoga-Weg beschreitet und an Karma glaubt, geht davon aus, dass er sich bis zur “Erleuchtung” hocharbeiten muss. So passt es gut ins Bild, dass man permanent aktiv sein soll, solange man das endgültige Ziel noch nicht erreicht hat.

Auch als Christen sind wir aufgefordert, wenn möglich einer Arbeit nachzugehen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen (vgl. 1. Mose 3,17-19; 2. Thessalonicher 3,10-12). Jedoch gibt es für Christen dabei auch eine Grenze. Die Bibel sagt: Wer an Jesus Christus glaubt, der hat das ewige Leben bereits sicher (vgl. Johannes 3,16). Gott nimmt uns an, auch wenn wir schwach sind (vgl. Matthäus 11,28-29; 2. Korinther 12,9). Im Yoga versucht man dagegen durch die Körper-, Atem- und Meditationsübungen immer wieder neue Energie für die tägliche Arbeit zu erlangen.

Frage: Wie kann es sein, dass hunderte oder gar tausende Freiwillige trotz der Schadstoff­belastung am Bauprojekt “Maha Meru” teilnahmen?

Der Film zeigt, wie Yoga Vidya ein weiteres Gebäude in Bad Meinberg saniert – die ehemalige Lippe-Klinik, später “Maha Meru” (großer Berg) genannt. Da die finanziellen Mittel für die Sanierung nicht ausreichen, setzt Yoga Vidya unter fachlicher Leitung eines langjährigen Mitarbeiters auf viel Eigenleistung durch Freiwillige. Darunter befinden sich auch Anwärter der Yogalehrer-Ausbildung, die nur zeitweise in Bad Meinberg sind und die “freiwillige” Mithilfe ableisten müssen, damit ihre Ausbildung als vollständig gilt. Yoga Vidya beruft sich auch hier darauf, dass “Karma Yoga” eine Form des Yoga sei.

Es folgen von Yoga Vidya selbst veröffentlichte Videoclips, in denen die Mithelfer teilweise keine oder nicht korrekt angelegte Schutzausrüstung tragen. Dabei wird ein Gutachten gezeigt, laut dem viele Teile des Gebäudes mit Schimmel, Asbest und Mineralwolle kontaminiert seien. Diese Stoffe können bei nicht richtigem Umgang krebserregend sein. Da ich kein Experte für Baubiologie bin, kann ich keine fundierte Einschätzung geben, inwiefern die Freiwilligen tatsächlich einer Gefährdung ausgesetzt waren. Yoga Vidya hält dagegen, die Sanierung sei fachgerecht abgelaufen.

Aus meiner Erfahrung in der Yogalehrer-Ausbildung kann ich sagen, dass die Bereiche zur Mithilfe (“Karma Yoga”) recht vielfältig sind. Ich musste zum Beispiel Sitzkissen und Meditations­decken in einem Yogaraum ordnen. Die Yoga-Philosophie beschreibt einen quasi “übernatürlichen” Weg, um die eigene Gesundheit zu verbessern. Eine mögliche Erklärung ist, dass einige Freiwillige ihre körperliche Widerstands­kraft überschätzt haben und daher keine Schutzausrüstung getragen haben. Das sollte man jedoch nicht verallgemeinern – die starke Betonung des Körpers im Yoga macht manche Teilnehmer wiederum übervorsichtig in Bezug auf ihre Gesundheit.

Frage: Warum lässt sich Swami Padmanabhananda aus dem Sivananda-Ashram in Rishikesh nicht auf ein weiteres Gespräch ein?

Das Filmteam reiste im Laufe der Dreharbeiten extra nach Indien, um den Sivananda-Ashram in Rishikesh zu besuchen, auf dessen Tradition sich auch Yoga Vidya in Deutschland beruft. Das spricht für die hohe Qualität der Dokumentation und zeigt den Wunsch der Produzentinnen, dem Thema wirklich auf den Grund zu gehen. In einer zweiten Szene bricht jedoch Swami Padmanabhananda (stellvertretender Leiter der Divine Life Society) plötzlich das Interview ab. Das Filmteam und damit auch die Zuschauer bleiben ratlos zurück.

An dieser Stelle kann man nur spekulieren. Mir ist wenig darüber bekannt, wie die Swamis (Mönche) im Sivananda-Ashram heutzutage tatsächlich leben. Der Begründer dieser Yoga-Tradition, Swami Sivananda, hat jedoch viele Bücher geschrieben, und es existieren auch Aufzeichnungen seiner direkten Schüler über die Anfänge des Ashrams. Ursprünglich handelte es sich beim Yoga in Indien um eine asketische Praxis. Der menschliche Körper wurde durch Fasten oder äußerst langes Stehen auf einem Bein zum Teil starken Schmerzen ausgesetzt, um die “Erleuchtung” zu erlangen.

Swami Sivananda empfand diese Praktiken als zu extrem. Er reformierte den Yoga mit seinem Stil so, dass er besser in den Alltag integriert werden konnte – ein Modell, das wir auch heute bei Yoga Vidya sehen. Swami Sivananda betonte in seinen Lehrbüchern stets die Notwendigkeit von Karma Yoga, genauso wie Sukadev (Volker Bretz) in den gezeigten Videoclips. Ganz im “uneigennützigen Dienst” aufzugehen ist keine neuartige Erfindung von Yoga Vidya, sondern entspricht genau dem Leben und den Lehren von Swami Sivananda, auf die sich Yoga Vidya beruft.

Frage: Gibt es eine Verbindung zwischen Yoga und Rechts­extremismus oder Verschwörungs­ideologien?

Gegen Ende von “Cash & Karma” wird ein sogenannter Reichsbürger gezeigt, der über mehrere Jahre hinweg Seminare auf dem Gelände von Yoga Vidya gehalten hat. Der Film macht Yoga Vidya zum Vorwurf, sich nach entsprechenden Hinweisen von Mitarbeitern nicht schnell und deutlich genug von dem Seminarleiter und seinen politischen Ansichten distanziert zu haben. Yoga Vidya habe ihm über Jahre hinweg eine Plattform geboten und dadurch auch finanziell von ihm profitiert.

Es gibt gewisse Verbindungen zwischen esoterischen Weltbildern und Rechts­extremismus, die unter dem Stichwort “rechte Esoterik” oder “braune Esoterik” zusammengefasst werden. Die Neue Westfälische Zeitung bezeichnete die Region Ostwestfalen-Lippe, wo sich die Zentrale von Yoga Vidya befindet, kürzlich generell als “Hotspot” für Reichsbürger. Ich sehe dafür jedoch in der Yoga-Philosophie keine direkte Ursache. Menschen aus allen sozialen Milieus, auch aus christlichen, können anfällig für extremistische Ansichten sein.

Yoga ist eng mit dem Hinduismus verwandt, einer sogenannten synkretistischen Religion. Das bedeutet, dass sich Yoga und Hinduismus nicht von anderen Religionen abgrenzen, so wie es zum Beispiel Christentum (“Du solltst keine anderen Götter neben mir haben” – 2. Mose 20,3), Judentum und Islam tun. Yoga Vidya bietet eine Fülle von Seminaren an, die Yoga mit anderen Themen verbinden, wie zum Beispiel Bogenschießen, Gedächtnis­training oder Rohkost. Diese Seminare dienen dem Ziel von Yoga Vidya, Yoga in der Bevölkerung zu verbreiten.

Persönlich habe ich Yogis kennengelernt, die zum Beispiel dem Rundfunkbeitrag oder Mobilfunkstrahlung kritisch gegenüber standen. Als Christ bin ich froh, dass ich Jesus Christus als meinen “König” bezeichnen darf (vgl. Johannes 18,37; 1. Timotheus 6,11-16), der nicht auf die Welt gekommen ist, um einen politischen Umsturz herbeizuführen. Er sagte: “Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.” (Matthäus 22,21) Wie auch der anonyme Mitarbeiter von Yoga Vidya, der im Film nicht erkannt werden möchte, vermutet, gibt es in der Yoga-Philosophie keine solche klare Leitlinie.

Die Dokumentation “Cash & Karma” wurde im Rahmen des Formats “ARD Story” am 05.09.2023 veröffentlicht und ist derzeit in der ARD-Mediathek kostenlos abrufbar. Produziert wurde sie von Nicole Rosenbach und Jana Heck im Auftrag des WDR. Einen Tag zuvor erschien auf tagesschau.de in der Sparte “Investigativ” außerdem ein Begleitartikel mit dem Titel “Yoga - um welchen Preis?”.