Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 1)
Yoga ist ein populärer Sport, aber auch ein religiöses System. Im Yoga heißt es, dass die Seele viele Leben durchläuft und vom Karma für ihre früheren Taten belohnt und bestraft wird. Das Christentum lehrt einen persönlichen Gott, der ewiges Leben nach dem Tod schenkt.
Yoga ist populär. Wahrscheinlich hast Du beim Stichwort “Yoga” gleich ein Bild vor Augen gehabt. Aber in diesem Artikel werfen wir einen Blick hinter die Kulissen. Ich werde zunächst die Philosophie hinter Yoga beschreiben und Dich im zweiten Teil in einen Bericht über meine persönlichen Erlebnisse mit Yoga mit hineinnehmen.
Was ist Yoga?
Seit in den 1960ern die ersten indischen Yogalehrer in die USA und nach Europa kamen, wird Yoga im Westen hauptsächlich als gesundheitsfördernde Sportart vermarktet oder auch einfach als eine Wellness-Technik, die das eigene Wohlbefinden verbessern soll.
Sicherlich versuchen manche Yogastudios aufrichtig, ihre Yogakurse als weltanschaulich neutrale Methode anzubieten. Als Teilnehmer einer Yogastunde ist man – je nach Anbieter – nicht gleich beim ersten Mal mit den religiösen Inhalten des Yoga konfrontiert.
Tatsächlich steckt hinter Yoga aber ein religiöses System, das mit dem Hinduismus verwandt ist. Yoga ist eine alte indische Philosophie, die zum Beispiel im Yogasutra von Patanjali beschrieben wird. Dieser Text stammt, je nach Datierung, aus dem vierten Jahrhundert oder früher.
Ein Gott – viele Götter
Wie viele Weltanschauungen aus dem hinduistischen Umfeld ist Yoga “synkretistisch” – das heißt, Yoga ist nicht exklusiv, sondern lässt auch Verbindungen zu anderen Religionen und Weltanschauungen zu. Die Tendenz dabei ist, alle Religionen gleichwertig nebeneinander stehen zu lassen.
Auf diese Weise passt Yoga gut in unsere gegenwärtige Epoche – die Postmoderne – in der unterschiedliche Ansichten und “Wahrheiten” im Namen der Toleranz ebenfalls gern nebeneinander stehen gelassen werden und das Konzept einer “absoluten” Wahrheit als altmodisch betrachtet wird.
Damit unterscheidet sich Yoga stark vom Christentum, wo man davon ausgeht, dass es einen – also einen einzigen – wahren Gott gibt, der sich in Jesus offenbart hat. Bereits dieser Unterschied zeigt, dass es nicht so einfach ist, verschiedene Religionen als “im Grunde gleich” nebeneinander stehen zu lassen.
Das Jenseits
Dass es im Christentum nur einen wahren Gott gibt, bedeutet auch, dass sich nach christlichem Verständnis nur gläubige Christen ganz sicher sein können, dass sie nach ihrem Tod zu Gott in den Himmel kommen werden.
Im Detail gibt es innerhalb des Christentums verschiedene Ansichten dazu, aber im Wesentlichen besteht der Konsens, dass Menschen, die sich in ihrem Leben nicht klar zu Gott bekannt haben oder den christlichen Glauben aktiv abgelehnt haben, die ewige Liebe, die von Gott ausgeht, nach ihrem Tod nicht erleben werden.
Yoga bietet hier einen scheinbaren Ausweg an, indem entsprechend der hinduistischen Philosophie angenommen wird, dass alle Menschen irgendwann die endgültige Erlösung erreichen werden – genauer gesagt sogar alle Lebewesen, wie zum Beispiel auch Kühe, die in Indien deshalb als heilig gelten.
Die Erlösung – “Moksha”, “Samadhi” oder “Kaivalya” genannt – bedeutet im Yoga einen Zustand der ewigen Glückseligkeit (“Ananda”), der schon zu Lebzeiten auf der Erde erreicht wird und mit dem Tod (“Verlassen des Körpers” genannt) dauerhaft wird.
In den Upanishaden, einer der wichtigsten hinduistischen Schriften, wird diese Erlösung als praktisch unbeschreiblich dargestellt; als einen unpersönlichen Zustand der endlosen Glückseligkeit, während in der christlichen Bibel die Ankunft im Himmel als persönliches Wiedersehen mit dem Schöpfer beschrieben wird.
Die Seele
Ein persönliches Wiedersehen mit dem Schöpfer wie im Christentum wäre im Yoga bzw. Hinduismus nicht möglich, da dort ein anderes Weltbild zugrunde liegt: Die individuelle Seele (Atman) und Gott (Brahman), werden als zwei verschiedene Erscheinungsformen der gleichen, ursprünglichen göttlichen Substanz gesehen.
Das Ziel aller Yoga-Praxis (oder allgemeiner der hinduistischen religiösen Praxis) ist, diese ursprüngliche Einheit zwischen der individuellen Seele und dem allumfassenden Göttlichen wieder herzustellen, was auch so formuliert wird, dass die Einheit lediglich wieder erkannt werden muss.
In dem Moment, in dem das Verschmelzen von Atman und Brahman erreicht ist, kann es keine Trennung zwischen Mensch und Gott mehr geben. Der Mensch ist Gott, und so hat das Individuum keinen Schöpfer mehr, dem es gegenübertreten könnte.
Im Christentum bleibt die Individualität der Seele dagegen erhalten, sowohl während des Lebens auf dieser Erde, als auch während der Auferstehung und im ewigen Leben im Himmel. Dadurch können Mensch und Gott in Dialog treten und in einer immerwährenden Beziehung miteinander leben.
Das Leben
Das Christentum geht davon aus, dass das Leben eines gläubigen Christen in einer geraden Linie verläuft, von seiner Geburt, über das Leben hier auf der Erde, bis zum ewigen Leben im Himmel. Und dieser Vorgang findet genau ein Mal statt.
In der hinduistischen Weltanschauung wird dagegen häufig von einem “Rad” der Wiedergeburt gesprochen, das die individuellen Seelen immer wieder durchlaufen. Dieser Vorgang wird als Reinkarnation bezeichnet, was bedeutet, dass die gleiche Seele immer wieder in einen neuen Körper schlüpft, vergleichbar mit dem Anziehen neuer Kleidung.
Genau genommen entspricht die Reinkarnation eher dem Bild einer Spirale, durch die sich die einzelnen Seelen (von Menschen und Tieren) immer höher nach oben schrauben, bis sie – Inkarnation für Inkarnation – schließlich die Erlösung erreichen.
Mit jeder neuen Inkarnation, also mit jedem neuen Körper, “vergessen” die Seelen wieder, was ihnen in der letzten Inkarnation passiert ist. Stattdessen nimmt man im Hinduismus an, dass es eine abstrakte Kraft (Karma) gibt, die den Seelen zu einem späteren Zeitpunkt zurückgibt, was sie “verdient” haben.
Gute Taten führen dazu, dass eine Seele (spätestens in einem späteren Leben) selbst angenehme Erfahrungen macht, und sich näher zur Erlösung hin entwickelt, während schlechte Taten dazu führen, dass die Seele auch selbst wieder viel Leid durchleben muss.
Es gibt innerhalb des Yoga unterschiedliche Ansichten darüber, inwieweit eine Seele auf der “Inkarnationstreppe” durch schlechte Taten wieder absteigen und zum Beispiel ein Mensch wieder in einer Ameise inkarnieren kann.
Der Konsens besteht jedoch darin, dass jede Seele sehr oft wiedergeboren werden kann. Dadurch hat prinzipiell jedes Lebewesen die Möglichkeit, durch eigene Anstrengung oder glückliche Umstände irgendwann die Erlösung zu erreichen, auch wenn dieser Weg tausende Leben dauern kann.
Auch im Christentum verwendet man den Begriff “Wiedergeburt”, meint damit aber keine neue Inkarnation, sondern den Moment, in dem sich ein Mensch in seinem jetzigen, einzigen Leben zu Gott bekehrt.
Dabei wird nicht der Körper ausgetauscht, sondern der Geist – der Gläubige erhält den “Geist Gottes” (auch der “Heilige Geist” genannt), durch den er Gott verstehen und nach Gottes Willen handeln kann. (Zum Weiterlesen: Johannes 3,1-13; Römer 8,1-17; 2. Timotheus 1,14)
Statt des Karmas ist es im Christentum Gott persönlich, der am Ende der Zeit ein Gericht über die von ihm geschaffene Menschheit abhält, bei dem er die Entscheidungen jedes einzelnen Menschen in seinem Leben bewertet. Dann entscheidet Gott über das ewige Schicksal jedes Einzelnen.
Zwischenfazit
Yoga unterscheidet sich vom Christentum in wesentlichen Grundannahmen über die Wirklichkeit. Während das Christentum von einem persönlichen Gott ausgeht, der die Menschen als Gegenüber geschaffen hat, steht am Ende des Yogawegs die Vereinigung mit einem abstrakten Urgrund.
Der wesentliche praktische Unterschied zwischen beiden Weltanschauungen ist, dass jede Seele im Yoga Tausende oder sogar Millionen von Leben haben kann, während es im Christentum nur ein Leben für jede Seele gibt.
Dadurch scheint es im Yoga wesentlich mehr Raum zu geben, dass irgendwann jede Seele zur Erlösung finden wird. Dieser verlockende Aspekt hat mich dazu gebracht, mich näher mit Yoga zu beschäftigen – viel mehr, als mir das rückblickend lieb gewesen wäre.
Die ganze Geschichte findest Du im zweiten Teil dieses Artikels: “Was ist der Unterschied zwischen dem Christentum und Yoga? (Teil 2)”