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Nächstenliebe

· Autor: Thomas · Lesezeit: ca. 10 Min.

Es geht beim christlichen Glauben nicht hauptsächlich darum, ein guter Mensch zu sein, sondern um die Beziehung zu Gott. Wenn wir etwas Gutes tun, ist das ein Ausdruck dieser Beziehung. Um das Richtige tun zu können, benötigen wir als Menschen die Wegweisung von Gott.

Es geht beim christlichen Glauben nicht hauptsächlich darum, ein guter Mensch zu sein. Das ist vielleicht eine überraschende These. Wir alle wünschen uns doch gute Menschen um uns herum, die sich zuvorkommend und rücksichtsvoll verhalten. Und auch über uns selbst wollen wir gerne glauben, dass wir uns zumindest bemühen, ein guter Mensch zu sein.

Gottes Perspektive

Auf den Punkt, Gutes zu tun, werde ich noch einmal zurückkommen. Zunächst einmal möchte ich erklären, wie ich darauf komme, dass das nicht unser erstes Ziel sein sollte. Als Christ stelle ich mir zuerst die Frage, wie sich das Thema aus Gottes Sicht darstellt. Ich glaube, dass Gott der Maßstab für gutes Handeln ist. Mit seinem Sohn Jesus hat er uns ein perfektes Beispiel gegeben, wie ein fehlerloses Erdenleben aussieht.

Jesus betete sogar während seiner Hinrichtung noch für die römischen Soldaten, die ihn kreuzigten (Lukas 23,33-34). Jesus verzieh Petrus, einem seiner engsten Vertrauten, obwohl er Jesus nach seiner Gefangennahme dreimal verleugnete – später durfte Petrus ein Leiter der ersten christlichen Gemeinde werden (Matthäus 26,69-75; Galater 2,9). Jesus verurteilte auch zum Beispiel die bekannte Frau am Jakobsbrunnen nicht, sondern gab ihr die Möglichkeit, ihr Verhalten zu ändern (Johannes 4,1-42).

Wenn man sich aber uns Menschen ansieht, zeigt sich schnell, dass wir uns nicht so perfekt verhalten. Jeder von uns hat sich schon einmal in einer Situation nicht so verhalten, wie es eigentlich richtig gewesen wäre. Ich denke, jeder kann sich hier an eine kleine oder große Begebenheit erinnern, nach der ihn oder sie das Gewissen geplagt hat und man, wenn man ehrlich ist, wusste, dass man anders hätte handeln sollen.

Was denkt Gott nun darüber, dass wir in unserem Leben schon Fehler gemacht haben? Sind wir ihm nicht gut genug? Aus menschlicher Perspektive könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass wir unsere Fehler gegenüber Gott wieder gut machen sollten. Für jede schlechte Tat eine gute Tat – oder vielleicht besser eine doppelt so gute Tat – so lange, bis unsere guten Taten die schlechten wieder aufgewogen haben.

Das Problem an dieser Sichtweise ist, dass wir nicht wissen, wie viele gute Taten genug sind, um die schlechten wieder gut zu machen. Und was wäre, wenn jemand nicht lange genug lebt, um alle schlechten Taten wieder gut zu machen? Selbst wenn wir es schaffen würden, uns ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch perfekt zu verhalten, wären die schlechten Taten von früher immer noch Teil unserer Lebensgeschichte. Mit dem perfekten Handeln von Gott können wir nicht mithalten.

(Zum Weiterlesen: Römer 2,14-15; Römer 3,23)

Menschliche Ethik

Bevor wir weiter überlegen, welche Rolle Gott bei diesem Thema spielt, schauen wir uns zuvor auch einmal die menschliche Perspektive an. Auch aus rein menschlicher Sicht ist es nicht so einfach, Gutes zu tun. Oft scheitert es schon daran, dass uns die Motivation für gutes Handeln fehlt. Es kommt uns gar nicht erst der Gedanke in den Sinn, uns um andere zu kümmern, weil wir mit unserem eigenen Leben beschäftigt sind. Und wenn doch, befürchten wir, dass wir Zeit und Geld durch unser selbstloses Handeln verlieren könnten, das uns dann für uns selbst fehlen würde.

Gerade wenn wir uns sehr bemühen, Gutes zu tun, kann sich dahinter immer noch eine eigennützige Motivation verbergen: Wenn wir zunächst einmal verstanden haben, dass wir den moralischen Ansprüchen von Gott nicht genügen, versuchen wir vielleicht, ein immer besserer Mensch zu werden und uns die Anerkennung von Gott wieder zu verdienen. Vielleicht ist es noch nicht einmal Gott – sondern wir hoffen, durch gute Taten die Bewunderung anderer Menschen zu gewinnen. Beides engt unseren Blick ein – wir denken doch wieder nur daran, wie wir selbst am Besten dastehen können, und sind nicht wirklich frei, das zu tun, was für alle Beteiligten am Besten wäre.

Und was ist überhaupt das Beste für alle Beteiligten? Wenn wir der Absicht sind, uns um andere zu kümmern, müssen wir dafür zunächst eine Entscheidung treffen, wem wir wie genau helfen möchten. Angenommen, eine Krankenschwester ist gerade in der Nähe, als ein kleiner Junge von einem Auto angefahren wird. Durch Erste Hilfe rettet sie ihm das Leben. Als später aus dem Kind ein erwachsener Mann geworden ist, erfährt dieser, dass seine Frau eine Affäre mit dem Nachbarn hat. Aus Eifersucht ermordet der Mann seinen Nachbarn. Hatte die Krankenschwester damals nun die richtige Entscheidung getroffen, dem kleinen Jungen zu helfen?

Auch in Alltagssituationen begegnen uns solche Fragen. Ein ehemaliger Arbeitskollege von mir hatte sein Auto verkauft, um von da an umweltfreundlich mit dem Fahrrad zu fahren. An sich eine gute Entscheidung, mit der er unseren Planeten als lebenswerten Ort erhalten wollte. Etwas später stellte er aber fest, dass er auch Lebensmittel ohne Plastikverpackung einkaufen sollte, um die Verschmutzung der Meere zu verhindern. Allerdings war der nächste Supermarkt ohne Einweg­verpackungen so weit entfernt, dass er ihn ohne Auto nicht in zumutbarer Zeit erreichen konnte. War es nun richtig, das Auto zu verkaufen?

Diese Beispiele zeigen, dass moralisches Handeln für uns Menschen nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist. Dazu kommt: Egal was wir tun, nichts hält für die Ewigkeit. Selbst wenn es uns gelingt, das Leben eines anderen Menschen angenehmer zu machen, wird er eines Tages sterben. Selbst wenn die Medizin irgendwann das Altern aufhalten könnte, geht die Naturwissenschaft davon aus, dass die Sonne eines Tages ausgebrannt sein wird und das Universum zu einem Ende kommen muss. Auch als Christen erwarten wir, dass Jesus eines Tages wiederkommen wird und es die Welt, wie wir sie jetzt kennen, nicht mehr geben wird.

Gott suchen

Wir haben also gesehen, dass die menschliche Ethik verschiedene Grenzen hat. Und so komme ich zu dem Punkt, dass man zuerst Gott suchen sollte, bevor man probiert, einem anderen Menschen etwas Gutes zu tun. Das zeigt sich meiner Meinung nach auch in dem sogenannten “höchsten Gebot”, über das Jesus mit einem Schriftgelehrten spricht, bevor er das bekannte Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt:

Du sollst den Herrn, Deinen Gott, lieben mit Deinem ganzen Herzen, und mit Deiner ganzen Seele, und mit Deiner ganzen Kraft, und mit Deinem ganzen Verstand, und Deinen Nächsten wie Dich selbst.

(Lukas 10,25-28)

In diesem Zitat wird zwar die Nächstenliebe auf die gleiche Stufe wie die Gottesliebe gehoben, weshalb es auch “Doppelgebot der Liebe” genannt wird, aber es wird viel ausführlicher beschrieben, wie kraftvoll wir Gott lieben sollen, und die Liebe zu Gott wird zuerst genannt, noch vor der Liebe zu den Nächsten. Ich glaube, dass das kein Zufall ist.

Wie ich am Anfang erklärt habe, glaube ich, dass Gott selbst der Maßstab für gutes Handeln ist. Kein Mensch kann je so gut sein wie dieser Maßstab. Aber in der Bibel ist auch beschrieben, dass Gott uns Vergebung für unser Fehler anbietet: Wenn wir uns aus ganzem Herzen an Gott wenden, ihm unser Fehlverhalten eingestehen und uns von da an von ihm durch unser Leben leiten lassen, können wir erfahren, wie die schwere Last früherer Fehl­entscheidungen von unseren Schultern genommen wird. Jesus ist sozusagen der große “Reset-Knopf” für unser Leben.

Gott verspricht uns in der Bibel, dass er uns so annimmt, als wären wir seine Kinder, wenn wir unser ganzes Leben nach ihm ausrichten. Ich glaube, so ähnlich verhält es sich auch mit der Frage nach den guten Taten: Angenommen, wir hätten Kinder, die sich in jeder Hinsicht gut verhalten – sie gehen einer ehrlichen Arbeit nach und stehlen nicht, sie sind aufrichtig gegenüber ihrem Ehepartner, verhalten sich friedvoll und spenden regelmäßig für einen guten Zweck – aber sie sagen uns, dass sie uns als Eltern nicht brauchen, sondern brechen sogar jeglichen Kontakt mit uns ab. Würden wir das als richtig empfinden?

(Zum Weiterlesen: Lukas 10,25-28; Johannes 1,12; Römer 8,14-17; Galater 3,26; 1. Johannes 3,1)

Gottes Wegweisung

Im Christentum gehen wir davon aus, dass Gott uns deshalb unsere Fehler verzeihen kann, weil sein Sohn Jesus stellvertretend für unsere Fehler gekreuzigt wurde. Auf den ersten Blick mag das wie eine seltsame Vorgehensweise erscheinen. Warum war dieser brutale Tod nötig? Wenn wir diese Vergebung von Gott annehmen und Gott zum Wegweiser für unser Leben machen, wird die Relevanz der Kreuzigung plötzlich spürbar: Jesus hat sein Leben gegeben, damit wir von unserer Schuld befreit sind. Wenn Jesus bereit ist, sein Leben zu geben – was sind wir bereit, zu geben?

Wenn uns bewusst wird, dass Jesus sein Leben für uns gegeben hat, fällt es uns leichter, selbst etwas für andere zu geben. In den meisten Situationen müssen wir zum Glück nicht gleich unser Leben für einen anderen Menschen hergeben. Wie leicht ist es da, über unseren Schatten zu springen und anderen etwas Gutes zu tun, wenn wir unsere aktuelle Situation mit dem großen Opfer vergleichen, das Jesus für uns gegeben hat. Wenn wir unseren Blick auf Jesus richten, sind wir frei, das Richtige zu tun, denn wir müssen uns um uns selbst keine Sorgen mehr machen.

Als Christen erwarten wir, dass wir die Ewigkeit mit Gott im Himmel verbringen werden, wenn wir uns für ein Leben mit Jesus entschieden haben. Diese Gewissheit kann uns niemand mehr nehmen. Wir wissen, dass wir durch Jesus vor Gott gerecht dastehen, egal welche Fehler wir früher begangen haben. Dadurch müssen wir uns nicht mehr um die Anerkennung von anderen Menschen bemühen. Egal, was uns in diesem Leben noch passieren wird – in der Ewigkeit werden alle unsere Sorgen vergessen sein. Das macht uns frei, wirklich selbstlose Entscheidungen zu treffen.

Wenn Jesus uns durch unser Leben leitet, müssen wir keine Angst mehr haben, falsche Entscheidungen zu treffen, denn wir können uns sicher sein, dass Jesus bereits für unsere Fehler eingestanden ist. So wird er für uns vom Maßstab, mit dem wir beurteilt wurden, zum Vorbild. Auch wenn wir uns in einem Umfeld befinden, in dem keiner unserer Mitmenschen ein gutes Vorbild ist, haben wir mit Jesus immer jemanden, der uns zeigt, wie wir uns am besten verhalten können.

Dabei geht es nicht einfach um bestimmte Regeln, nach denen wir unser Leben ausrichten sollen, sondern um eine lebendige Beziehung zu Gott. Ähnlich wie bei Kindern und Eltern, lernen wir von Gott nicht einfach nur bestimmte Verhaltens­regeln, sondern haben auch die Möglichkeit, ihn in allen Situationen um Rat zu fragen, in denen wir nicht weiter wissen. Als Kinder Gottes können wir jederzeit zu Gott beten, dass er uns die Weisheit für eine richtige Entscheidung schenkt.

Auch in der Bibel finden wir entscheidende Hinweise dafür, wie Gottes Plan für unser Leben aussieht. Als Christen glauben wir, dass Gott auch heute gegenwärtig ist und uns mit seinem Heiligen Geist durch unser Leben führt – mehr dazu im Artikel “Wie kann ich Gott erleben?”. Nicht immer können wir Gottes Führung in unserem Leben direkt verstehen, aber wenn wir zu ihm beten und sein Wort studieren, können wir uns sicher sein, dass wir unser Leben im Einklang mit seinem Plan leben.

(Zum Weiterlesen: Johannes 10,27-30; Johannes 13,15; Römer 5,8; Epheser 5,1-2; Jakobus 1,5; Offenbarung 21,4)

Himmel auf Erden

Wie wir gesehen haben, kann Gott uns helfen, die richtigen Entscheidungen in unserem Leben zu treffen. Nach christlicher Auffassung ist die Beziehung zu Gott die Grundlage für alle persönlichen Entscheidungen. Wenn Gott nun die Weisheit besitzt, uns gute Entscheidungen zu vermitteln, welche Rolle spielen wir als Menschen dann bei der Umsetzung dieser Ideen? Da Gott auch allmächtig ist, könnte er seine Pläne nicht selbst umsetzen und die Welt alleine zu einem besseren Ort machen?

Jeder Mensch ist daran interessiert, einer sinnvollen Tätigkeit in seinem Leben nachzugehen – wir möchten einer Bestimmung oder Leidenschaft folgen. In diesem Sinne gibt Gott jedem einzelnen Menschen die Möglichkeit, an seinem Plan für diese Welt mitzuwirken. Wir sind sozusagen “Mitarbeiter Gottes” in seinem Unternehmen. Für jeden hat Gott einen Platz und eine Aufgabe. Dass Gott uns individuell zugeschnittene Aufgaben gibt, ist ein Ausdruck seiner Liebe zu uns.

Grundsätzlich lässt Gott jedem Menschen einen freien Willen und damit auch die Freiheit, falsche Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungs­freiheit, das eigene Leben mit oder ohne Gott zu leben, kann es nur in einer Welt geben, in der auch falsche Entscheidungen möglich sind. Unsere Welt ist daher von allerhand Leid geprägt und wird darum niemals perfekt sein können. Ein sorgenfreies Leben kann es erst bei Gott im Himmel geben. Warum sollen wir uns dann bemühen, mit Gott die Welt zu verbessern?

Wenn wir die Aufgaben übernehmen, die Gott für uns vorbereitet hat, können wir in unserer Beziehung zu ihm wachsen und unser Leben enger mit Gott leben. Dadurch wächst unsere Gewissheit, dass Gott auch in schwierigen Zeiten und über den Tod hinaus für uns da ist. Gutes zu tun geschieht dann nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Dankbarkeit gegenüber Gott – für die Aussicht, in den Himmel zu kommen, und für all die schönen Erlebnisse, die wir bereits jetzt schon durch ihn haben durften.

Gute Taten werden dann auch für andere Menschen zu einem Hinweis auf Gott und seinen Charakter. Wenn wir auf Grund unseres Glaubens etwas Gutes in einer hoffnungslosen Welt tun, zeigen wir dadurch, dass Gott eine Quelle der Hoffnung ist. Besonders wenn es uns zuvor schwer gefallen ist, Gutes zu tun, können wir durch unsere guten Taten anderen Menschen zeigen, dass Gott die Kraft hat, Menschen wie uns zum Besseren zu verändern.

Wenn wir andere Menschen zu Gott führen, können wir ihnen tatsächlich nachhaltig helfen: Sie bekommen die Chance, selbst auch die Ewigkeit mit Gott im Himmel zu verbringen. Letztendlich können wir anderen Menschen nicht wirklich etwas Gutes tun. Alles Gute kommt von Gott, denn Gott ist die Liebe. Nur Jesus kann einem Menschen wahren Frieden schenken. Wir können andere Menschen lediglich auf Gott hinweisen und sie in seine heilsame Nähe führen.

(Zum Weiterlesen: Matthäus 5,16; Johannes 15,8; Römer 12,1-2; 1. Korinther 3,9; 2. Korinther 3,18; Epheser 2,8-10; 1. Petrus 2,12; 1. Johannes 4,15-19)